pts20080619032 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

APA-Millionenauftrag weiterhin ausschreibungsfrei

EuGH-Freibrief für öffentliche Auftraggeber


Überraschendes EuGH-Vergaberechtsurteil
Überraschendes EuGH-Vergaberechtsurteil

Wien (pts032/19.06.2008/13:57) Langfristige, von öffentlichen Auftraggebern abgeschlossene Verträge mussten bisher gut unter Verschluss gehalten werden. Jede Änderung solcher Verträge war nämlich vergaberechtlich anfechtungsgefährdet. Im Rahmen eines Vergaberechtsstreits zwischen der pressetext Nachrichtenagentur und der Austria Presse Agentur (APA) hat aber nunmehr der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen Freibrief für bestimmte vertragliche Änderungen auch preislicher Art erteilt. Das entsprechende Urteil wurde heute, Donnerstag, verkündet.

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH war ein im Jahr 1994 abgeschlossener Basisvertrag mit einem Auftragsvolumen von rund zwei Mio. Euro jährlich zwischen der Republik Österreich (Bundeskanzleramt) und der APA, der seinerzeit ohne öffentliche Ausschreibung abgeschlossen und in weiterer Folge mehrfach geändert wurde. Streitpunkt war nun, ob der Bund auf Grund dieser Änderungen verpflichtet gewesen wäre, die zu Grunde liegenden Leistungen neu auszuschreiben und damit einem Wettbewerb zu unterziehen.

Der EuGH hat sich im Ergebnis gegen den Wettbewerb ausgesprochen, erklärt pressetext-Vertreter Rechtsanwalt Gunter Estermann. Der EuGH habe sein Urteil unter der Prämisse gefällt, dass unwesentliche Vertragsänderungen ohne erneuten Wettbewerb zugelassen werden. "Die Grenze, was als unwesentliche Änderung zu definieren ist, wurde vom EuGH allerdings sehr großzügig gezogen", meint Estermann. Unwesentlich waren demnach im Anlassfall die teilweise Vertragsübernahme durch eine APA-Tochtergesellschaft sowie die Änderung eines Kündigungsverzichts vom 31.12.1999 auf 31.12.2008. Weiters wurden auch verschiedene Preisänderungen um bis zu zehn Prozent (auf Grund einer geänderten Rabattierung) und Änderungen von Wertsicherungsklauseln als unwesentliche Vertragsänderungen eingestuft.

Auffallend ist, dass der EuGH zu diesem Schluss kommt, obwohl seit dem ursprünglichen Vertragsabschluss im Jahr 1994 bereits über zehn Jahre vergangen sind und sich daher auch die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen maßgeblich geändert haben. "Vor allem Presse Services sind heute am Markt technisch und wirtschaftlich wesentlich günstiger zu beziehen als noch im Jahr 1994", erklärt auch pressetext-Geschäftsführer Franz Temmel.

Laut Estermann dürfen sich öffentliche Auftraggeber jedenfalls freuen. Der EuGH habe mit diesem Urteil den Anwendungsbereich des Vergaberechts weitgehend in den Bereich vor Vertragsabschluss zurückgedrängt. Nach Vertragsabschluss können auch bei unbefristeten und langfristigen Verträgen laufend Änderungen vorgenommen werden, ohne dass es zu einer Neuausschreibung kommen muss. Es darf nur die Grenze zur "Wesentlichkeit" nicht überschritten werden. Dass diese Grenze selbst bei Preisänderungen nicht zwangsläufig erreicht wird, hat der EuGH mit dem heutigen Urteil klargestellt. http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de (Suche: Sachgebiet Unternehmensrecht)

(Ende)
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