pts20080912011 Medizin/Wellness, Politik/Recht

Apotheken-Fremdbesitzverbot vor dem EuGH

Großes Teilnehmerinteresse zum Start der EuGH-Anhörung


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Köln (pts011/12.09.2008/10:53) Nachdem der deutsche Gesetzgeber 2004 bereits das Mehrbesitzverbot für Apotheken eingeschränkt hat, steht jetzt auch das Fremdbesitzverbot auf dem Prüfstand: Am 3. September fand in Luxemburg die mündliche Verhandlung vor dem EuGH zu der vom Verwaltungsgericht des Saarlandes vorgelegten Frage statt, ob das deutsche Fremdbesitzverbot mit der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages vereinbar ist.
Das Interesse an der vor der Großen Kammer des EuGH unter dem Vorsitz von Vassilios Skouris stattfindenden und fast sieben Stunden dauernden Verhandlung war groß. Dementsprechend fielen die Plädoyers sehr gegensätzlich aus.

Während u.a. die Niederlande und Polen die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung für nicht gefährdet halten, wenn einem Nichtapotheker, z.B. einer Kapitalgesellschaft, das Eigentum an den Apotheken zusteht, solange nur die die pharmazeutische Verantwortung von einem (angestellten) Apotheker getragen wird, sehen dies Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Griechenland und Italien anders: Bei einem Auseinanderfallen von wirtschaftlicher und pharmazeutischer Verantwortung bestünde die Gefahr der Vernachlässigung des Gemeinwohlauftrags zu Gunsten des "shareholder value". Dass die Freigabe des Apothekenmarkes jedenfalls nicht zu der immer wieder auch von deutschen Politikern beschworenen Kostendämpfung im Gesundheitswesen führt, zeigten die Erfahrungen Lettlands, dessen Bevollmächtigte berichtete, dass trotz der rasanten Zunahme von "Kettenapotheken" und der Tatsache, dass Kettenapotheken aufgrund des mit ihrem Betrieb verbundenen "Synergieeffekts" kostengünstiger betrieben werden könnten, an die Verbraucher kein Preisvorteil weiter gegeben worden sei. Lettland hat daher beschlossen, ab 2011 einen Fremd- und Mehrbesitz nicht mehr zuzulassen.

In der Verhandlung zeigte sich somit erneut, dass in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wie die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und die in diesem Zusammenhang als von besonderer Bedeutung anzusehende Unabhängigkeit der Apotheken von allen am Arzneimittelverkehr beteiligten Personen - den Arzneimittel herstellenden Unternehmen, den sie vertreibenden Großhändlern, den sie verordnenden Ärzten und den sie anwendenden Patienten - sicherzustellen ist: Während die einen dieses Rechtsgut nach Möglichkeit keinerlei Gefährdung aussetzen und daher - wie die Bundesrepublik Deutschland - schon vorbeugend tätig werden, indem sie den Apothekenleiter als Person mit seiner Apotheke und damit mit seiner Lebensgrundlage in die Pflicht nehmen, reicht es den anderen, dass die pharmazeutische Verantwortung in der Hand eines (angestellten) Apothekers liegt, während die wirtschaftliche Verantwortung auch von einem Nichtapotheker übernommen werden kann.

Der Bevollmächtigte Spaniens brachte die Diskussion schließlich auf den Punkt:
Laut EG-Vertrag solle im Gebiet der Gemeinschaft ein "hohes" Gesundheitsschutzniveau sichergestellt werden. Da Gesundheits-Gefahren unmöglich einzuschätzen seien, müsse es mangels einer EU-Harmonisierung primär Sache der Mitgliedstaaten sein zu bestimmen, auf welche Weise dieses Schutzniveau erreicht werden solle. Es dürfe nicht punktuell in ein in sich stimmiges, nationalen und historischen Besonderheiten Rechnung tragendes Gesundheitssystem eingegriffen und dadurch den betroffenen Mitgliedstaaten eine wesentliche Säule ihres jeweiligen Gesundheitssystems genommen werden.

Kontrovers diskutiert wurde schließlich noch, ob eine nationale Verwaltungsbehörde, im konkreten Fall der vormalige Saarländische Minister der Justiz, berechtigt und/oder verpflichtet ist, nationales Recht nicht anzuwenden, wenn sie dieses für gemeinschaftswidrig hält. Während der Vertreter der EU-Kommission dieses Vorgehen als loyal lobte, übten nicht nur Deutschland, sondern auch z. B. Irland massiv Kritik an diesem Vorgehen: Es gefährde die Rechtssicherheit, wenn nationale Behörden nach eigenem Gutdünken Gemeinschaftsrecht auslegten, obwohl der Vertrag dafür das Verfahren der Vorabentscheidung vorsehe.

Der Schlussantrag des Generalanwalts wurde für den 16. Dezember angekündigt. Mit der Entscheidung des EuGH ist vor 2009 daher nicht zu rechnen.

Die umfassende Presseinformation ist zu finden unter http://www.ifuh.de

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IfUH, Dr. Valentin Saalfrank
Tel. 0221-660 98 62
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(Ende)
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