pte20060421002 Forschung/Entwicklung, Medizin/Wellness

Nervenzellen arbeiten schneller als bisher angenommen

Allgemein anerkanntes Hodgkin-Huxley-Modell ist überholt


Forscherteam hat Geschwindigkeit und Schwellenwert von Aktionspotenzialen analysiert
Forscherteam hat Geschwindigkeit und Schwellenwert von Aktionspotenzialen analysiert

Göttingen/Bochum (pte002/21.04.2006/06:10) Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation http://www.ds.mpg.de und des Bernstein Center for Computational Neuroscience in Göttingen http://www.bccn-goettingen.de haben zusammen mit dem Neurophysiologen Maxim Volgushev der Ruhr-Universität Bochum http://www.ruhr-uni-bochum.de nachweisen können, dass die hohe Flexibilität und Geschwindigkeit, mit der Nervenzellen von Säugetieren arbeiten, mit dem bisherigen allgemein anerkannten Hodgkin-Huxley-Modell der Neurophysiologie nicht zu erklären ist. Nach ihren Erkenntnissen arbeiten die Natriumkanäle, die sich während eines Nervenimpulses in der Zellmembran öffnen, nicht unabhängig voneinander, wie bis jetzt angenommen wurde, sondern scheinen zu kooperieren. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in Nature http://www.nature.com veröffentlicht.

Das Hodgkin-Huxley-Modell ist das berühmteste seiner Art zur Beschreibung der Entstehung von Aktionspotenzialen. Nach diesem Modell wird ein Aktionspotenzial ausgelöst, wenn sich die elektrische Spannung über die Membran der Nervenzelle bis zu einem gewissen Schwellenwert verändert. Bestimmte Natriumkanäle reagieren auf diese Spannungsveränderung, öffnen sich und lösen dadurch eine Kette von Öffnungs- und Schließungsvorgängen der Kanäle aus. Durch die geöffneten Kanäle strömen positiv geladene Natriumionen in die Zelle, was zur weiteren Verschiebung des Membranpotentials und der Öffnung weiterer Natriumkanäle führt. Der Schwellenwert sowie die Schnelligkeit, mit der ein Aktionspotential entsteht, variieren dabei von Zelle zu Zelle.

Das Forscherteam hat nun die Geschwindigkeit und den Schwellenwert von Aktionspotenzialen in Nervenzellen von Säugetieren näher analysiert. "Da beide Eigenschaften sehr wichtig für die Signalverarbeitung sind, haben wir versucht, sie zusammen in das Hodgkin-Huxley-Modell einzupassen. Es stellte sich jedoch heraus, dass beide Eigenschaften im Rahmen dieses Modells nicht zu vereinen sind", so Volgushev im Gespräch mit pressetext. "Das Modell, das ursprünglich für Tintenfische entwickelt wurde, galt in allen Lehrbüchern als allgemeine Erklärung für das Entstehen von Aktionspotenzialen. Jetzt hat sich jedoch gezeigt, dass es für höher entwickelte Lebewesen, wie etwa Menschen und Katzen, nicht funktioniert".

Die Forscher entwickelten daraufhin ein neues Modell, das zeigt, dass die Kanäle sich nicht unabhängig voneinander und ausschließlich in Abhängigkeit von der Spannung über die Membran öffnen, wie nach Hodgkin-Huxley, sondern fast gleichzeitig und bei sehr variablen Schwellenwerten. In weiteren Untersuchungen konnten die Forscher nachweisen, dass dieser Mechanismus den Zellen dabei helfen kann, Signale zu filtern und selektiv weiterzuleiten. Die große Variabilität der Schwellenwerte ermöglicht es den Zellen, langsame Signale zu ignorieren. Sie erhöhen dann fortlaufend ihren Schwellenwert, so dass in vielen Fällen gar kein Impuls ausgelöst wird. Die schnelle Auslösung der Aktionspotenziale dagegen hilft den Zellen schnell veränderliche Signale auch mit hoher Präzision weiterzugeben. Eine Schlussfolgerung, zu dem man anhand des Hodgkin-Huxley-Modells nie gekommen wäre.

(Ende)
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