pte20060722006 Kultur/Lifestyle, Medien/Kommunikation

Das Tagebuch eines Ex-Werbers

Frédéric Beigbeder durchleuchtet die Pariser Jetset-Community


Wien (R E Z E N S I O N) (pte006/22.07.2006/09:30) Mit seinem Werk "39,90" hat der Franzose Frédéric Beigbeder im Jahr 2000 auch hierzulande viel Staub aufgewirbelt. Der Autor rechnete damals sehr offen mit der Werbebranche ab. Gewollt oder ungewollt - sein Bestseller kostete ihm seinen Job bei der Werbeagantur Young & Rubicam in Paris. Auch im deutschsprachigen Raum brüskierte man sich sehr über das im Buch gezeichnete Bild der Werbebranche (Kokainkonsum, Prostitution und Materialismus standen auf der Tagesordnung ganz oben). Die Branche bemühte sich dann sehr vehement, dieses Bild wieder zurechtzurücken. Beigbeders neueste Erzählung - "Der Romatische Egoist" (Ullstein Verlag http://www.ullstein-verlag.de) - ähnelt durchaus "39,90", vermutlich auch deshalb, weil es gleich im Anschluss daran geschrieben wurde. Dokumentiert wird die Zeit zwischen 2000 und 2002. Den Weg in die Läden fand das Buch aber erst vor kurzem. Das autofiktive Tagebuch nimmt jedoch keine Werber mehr auf die Schaufel, sondern liefert eine zynische Bestandsaufnahme der Pariser VIP-Community.

Der Protagonist des Buches, Oscar Dufresne (34 Jahre; von Beruf Schriftsteller), hat seine Midlifecrisis zwanzig Jahre zu früh. Er ist faul, zynisch und von sexuellen Obsessionen erfüllt - kurz gesagt: er ist Beigbeders Alter Ego. Dufresne wirft einen Blick auf die Gesellschaft um sich herum und natürlich auf sich selbst. Wer sind die Nebendarsteller des reichen und berühmten Schriftstellers Dufresne? Andere reiche und berühmte Menschen. Diese trifft er in Clubs, in hippen Urlaubsdomizilen, im Fernsehen, auf VIP-Partys, Lesungen und kulturellen Veranstaltungen - einmal in seiner Heimat Frankreich, aber auch in vielen anderen Ecken der Welt, die er auf diversen Lesereisen erkundet (so auch Deutschland und Österreich). Beigbeders sarkastisches Urteil ist wie gewohnt skandalträchtig geschrieben.

Das Tagebuch lebt von der Sprunghaftigkeit der Erzählungen und von den zahlreichen Begegnungen mit geliebten und weniger geliebten Menschen. Gleich zu Beginn resümiert Beigbeder an einem Sonntag: "Um subversiv zu sein, muss man subjektiv sein" und sinniert dann nahezu im selben Atemzug über den besten Spruch, mit dem man eine Frau "anmachen" kann. Wer Lust auf solch rasant wechselnde Themenkomplexe und Weltanschauungs-Varianten à la Beigbeder hat, wird hier bestens bedient.

Auch der mittlerweile zur Phrase verkommene Begriff der "Globalisierung" wird bei Beigbeder neu interpretiert: "Die Welt kommt mir eintönig vor, da ich nur auf Flughäfen und in Discos verkehre. Überall spielt im Hintergrund dasselbe Lied. Die Globalisierung trifft zuerst die Musik. Die Erde ist zum Dancefloor geworden. Dieses Tagebuch legt Zeugnis von einem neuen Ereignis ab: der "Clubbisierung der Welt". Neben dem Party-Fieber zelebriert der Autor aber auch seine Beziehungsphobien. Dennoch verschenkt er sein Herz an eine Auserwählte, um schließlich dann wieder nur zu scheitern.

Alle jenen in der Werbebranche, die vielleicht befürchten, dass Beigbeder doch einmal wieder in die Werbung zurückkehrt, kann hiermit gesagt werden: Auf ein solches Vorhaben angesprochen, erklärte der Autor vor einiger Zeit bei der Buchpräsentation in Wien (Morawa), dass er "seine jetzige Freiheit einem Job in einer Werbeagentur vorzieht".

(Ende)
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