pte20070207011 Umwelt/Energie, Kultur/Lifestyle

Indien will Armut bis 2040 abschaffen

Wohnung, Arbeit, Kleidung, Schulbildung und Medizinische Versorgung für Menschen


London/Wien (pte011/07.02.2007/09:10) Geht es nach den Vorstellungen des indischen Finanzministers wird es 2040 keine Armut mehr in Indien geben. Denn in einem Interview mit BBC http://news.bbc.co.uk hat Palaniappan Chidambaram Stellung zum gewaltigen Wirtschaftswachstum in seinem Land genommen. Bis 2040 werden die Menschen Wohnung, Arbeit, Kleidung, Schulbildung und Medizinische Versorgung haben. Der Optimismus des Ministers ist nach Ansicht mancher Demographen allerdings etwas überzogen, denn 25 Prozent, das sind mehr als 250 Mio. Menschen, leben heute in Indien in extremer Armut. Sie verdienen täglich weniger als einen Dollar.

"Je schneller wir wachsen, desto schneller wird auch die Armut verschwinden", erklärte der Minister. Die Entwicklung der vergangenen Jahre habe dies auch deutlich gemacht. Das Wirtschaftswachstum habe die Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten weiter verschärft. "Aber zur gleichen Zeit haben die Untersten in der Pyramide auch eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensumstände verzeichnen können", so Palaniappan. Verbesserungen müsse es hingegen in verschiedenen anderen Bereichen geben - und diese wären die Erhöhung der immer noch geringen Lebenserwartung und die Verminderung der Sterblichkeitsraten.

Indien zählt zu den boomenden Nationen der Welt. Das Wirtschaftswachstum betrug in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich fast acht Prozent. Damit liegt das Wirtschaftswachstum nahe an jenem Chinas. Derzeit liegt das Bruttosozialprodukt je Einwohner bei nur 720 Dollar pro Jahr. Indien ist aufgrund seiner Verkehrssprache Englisch und seiner unglaublich niedrigen Löhne ein sehr beliebtes Land bei zahlreichen internationalen Unternehmen. Besonders in der verarbeitenden Industrie, bei Dienstleistungen wie etwa Call-Centers ist das südasiatische Land sehr gefragt.

Keineswegs so positiv sieht der Attac-Experte Christian Felber http://www.attac.at im pressetext-Interview die Aussagen des Ministers. "Indien ist ein weitgehend agrarisch strukturiertes Land. Durch die WTO-Mitgliedschaft drohen Teile der Land- und Küstenbevölkerung zu verarmen", so Felber. Die Liberalisierung in der Landwirtschaft und der Fischerei werde Millionen Menschen arbeitslos machen. Es gebe deutliche Anzeichen dafür, dass der Liberalisierungsschub mehr Nach- als Vorteile bringen werde. "Ein großes Problem etwa ist die Verbreitung der Gentech-Baumwolle seitens des Saatgutkonzerns Monsanto", argumentiert Felber. Nach Angaben der indischen Regierung hätten unter anderem die anfangs so übertrieben dargestellten Erträge in der Baumwollernte 2003 mehr als 17.000 Bauern in den Tod getrieben. "Da die Bauern vor den Nichts standen, haben sie den Freitod als letzten Ausweg gewählt", so Felber. "Tragisches Detail am Rande ist die Tatsache, dass einige von ihnen das von Monsanto mitgelieferte Insektengift zum Selbstmord verwendet hatten."

Ein weiteres Problem sieht Felber in der Ausdehnung des Patentschutzes auf Saatgut und auf Heilmittel. "Indien hat die größte Generika-Industrie der Welt", so Felber. Brandneu sei die Klage des Novartis-Konzerns bezüglich der Zulassung des Leukämie-Produkts Glivec. Indien verweigert bisher die Zulassung mit der Begründung, dass es sich um kein neues Patent, sondern um ein Follow-up eines bekannten Medikaments handelt. "Das indische Patentrecht kennt keinen Patentschutz für Follow-up-Produkte", so Felber, der betont, dass es sich dabei um keinen Einzelfall handle. "Fast drei Viertel der armen Länder beziehen Medikamente aus Indien", so Felber. Diese Konkurrenz fürchten die westlichen Pharmakonzerne. "Nur wenn Indien die Probleme der Ernährung, der Landwirtschaft, der Patentrechte auf Saatgut und Medikamente lösen kann - also die Liberalisierung stoppt, die Ernährungssouveränität vor jene des Freihandels stellt und den Schutz für geistiges Eigentum nicht nach dem Geschmack der Industriestaaten regelt -, gibt es eine Chance auf breite Armutslinderung", erklärt Felber abschließend im pressetext-Interview.

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