pte20071029023 Forschung/Entwicklung, Medizin/Wellness

Bisher größtes Bakteriumgenom entschlüsselt

Sorangium cellulosum liefert viel versprechende Heilstoffe


Saarbrücken/Braunschweig/Biel (pte023/29.10.2007/13:55) Einem internationalen Wissenschaftsteam unter Leitung von Rolf Müller von der Universität des Saarlandes http://www.uni-saarland.de ist es gelungen, das bisher größte Bakteriengenom zu entschlüsseln: Das Genom des Bodenbakteriums Sorangium cellulosum besteht aus fast 10.000 Genen, die aus mehr als 13 Mio. Basenpaaren aufgebaut sind. Diese wurden in Zusammenarbeit mit dem an der Universität Bielefeld http://www.uni-bielefeld.de angesiedelten bundesweiten Genomforschungsnetzwerk unter der Leitung von Alfred Pühler sequenziert. Das Bakterium, dessen Genom vier Mal größer ist, als das durchschnittlicher Bakterien, liefert zahlreiche für die Wissenschaft bedeutende Naturstoffe, die in der Medizin aber auch in der Chemie verwendet werden können, berichten die Forscher in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Biotechnology .

"Das Bakterium ist ein überaus vielseitiger Produzent von so genannten Naturstoffen und ein Modellsystem für alle Sorangium-Bakterienarten", so Studien-Co-Autor Helge Bode vom Institut für Pharmazeutische Biotechnologie der Universität des Saarlands gegenüber pressetext. "Viele der Substanzen könnten in Zukunft möglicherweise als Antibiotika oder Krebsmittel eingesetzt werden", erklärt der Forscher. Besonders interessant sei die Tatsache, dass einige Bakterienarten der Gattung Sorangium die Substanzgruppe der Epothilone herstellen können. "Wissenschaftler hatten aus der Pazifischen Eibe eine komplexe chemische Verbindung namens Taxol isoliert, die zum Krebsmedikament der 70er Jahre wurde." Einen Nachteil gab es allerdings: Zur Herstellung des Medikaments musste der Eibe die Rinde abgenommen werden, worauf der Baum zugrunde ging. Daher suchten die Forscher nach ähnlichen Substanzen und stießen dabei auf das Bakterium Sorangium cellulosum, aus dem sie die Epothilone isolieren konnten. "Die Epothilone erwiesen sich als noch effektiveres Mittel gegen Tumore und stellen die kommende Generation der Krebsmedikamente dar", führt Bode aus.

"Ein weiterer Grund, warum man sich zur Sequenzierung des Genoms dieses Sorangium Bakteriums entschieden hat, war die Tatsache, dass das Bakterium gut wächst und sich auch gut genetisch manipulieren lässt", so Bode. Das ermögliche etwa eine Modifikation des Genoms zur gezielten Herstellung maßgeschneiderter Substanzen. "Die Anwendung von Naturstoffen gewinnt aber nicht nur in der Medizin und der pharmazeutischen Industrie an Bedeutung, sondern auch in der Agrochemie", erklärt Bode. Die Gene tragen die Information, die das Bakterium für die Produktion sämtlicher seiner Bestandteile braucht. Ihre enorme Zahl erklärt, warum Sorangium cellulosum eine sehr große Zahl wirtschaftlich interessanter Stoffe herstellen kann. "So ist uns bekannt, dass das Bakterium auch Zellulose abbauen kann." Das könnte man in Zukunft vielleicht in der Papierindustrie nutzen. Auch für die Waschmittelherstellung gäbe es Anwendungen. "Da wir nun die Erbinformation kennen, können wir in Zukunft sehr viel gezielter nach neuen Wirkstoffen suchen und deren Produktion verbessern", erklärt Müller, der zugleich auch Gruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung HZI http://www.helmholtz-hzi.de in Braunschweig ist.

Neben der Fähigkeit zu einer sehr vielseitigen Wirkstoffproduktion fällt das Bakterium Sorangium cellulosum durch eine weitere Besonderheit auf: Es zeigt ein so genanntes pseudosoziales Verhalten. Darunter verstehen Wissenschaftler die Fähigkeit der Mikroorganismen, gemeinsam komplexe Strukturen aus zahlreichen Bakterien zu bilden. Diese als Fruchtkörper bezeichneten Formen dienen dem Überleben der Art bei Nahrungsmangel und erinnern an echte Fruchtkörper niederer Pilze, berichtet das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Diese Fähigkeit fasziniere besonders Grundlagenforscher, denn sie zeige, dass auch vergleichsweise einfache Organismen wie Bakterien die Fähigkeit zur Kommunikation und zu koordinierter Aktion haben. Die dafür verantwortlichen chemischen Substanzen können ebenfalls in Medizin und Pharmazie von Bedeutung sein. "Das Verständnis der genetischen Grundlagen der Naturstoffbildung, kann zur Entdeckung neuer Wirkstoffe und damit zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen", erklärt Müller.

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