pts20071204013 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

Initiative Film TV: Offener Brief an den ORF


Wien (pts013/04.12.2007/10:15) Herrn
Generaldirektor
Dr. Alexander Wrabetz
Würzburggasse 30
1136 Wien

Wien, am 4. Dezember 2007

Sehr geehrter Herr Dr. Wrabetz!

In Fortsetzung unserer Presskonferenz vom 16. November 2007 und im Nachhang zu den mit Ihnen geführten Gesprächen erlauben wir uns nun, offen an Sie persönlich heranzutreten:
Die österreichische Filmwirtschaft ist weiterhin in Aufregung und Sorge.
Die finanzielle Situation des ORF hat Konsequenzen für die gesamte Filmbranche. Es geht nicht um ideelle Anliegen und Sorgen, die österreichische Filmwirtschaft ist vielmehr tagtäglich von den massiven Einsparungen in der Programmentwicklung betroffen. Ein irreversibler Kahlschlag droht!

Wir erwarten uns nicht nur Ihre wirkungsvolle Mithilfe - wir erwarten uns in Ihrer Funktion als Generaldirektor des ORF eine aktive Politik zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags.

Wir sehen folgende Problembereiche und ersuchen Sie, dazu Stellung zu nehmen:

1. Zunächst scheint es uns ausgesprochen erklärungsbedürftig, warum auf ORF1 so viele US-Serien wie auf RTL, Pro7 und Sat1 zusammen laufen. Wir sehen hier eine Unverträglichkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF. Es stellt sich für die österreichische Filmwirtschaft die existentielle Frage, warum der ORF gerade durch diese Programmplanung tatenlos beim Quotenverlust zusieht, anstatt zur Trendwende massiv in eigene (österreichische) Programme zu investieren. Ausgerechnet dabei aber will der ORF mehr sparen als anderswo, obwohl bekannt ist, dass genuin österreichische Programminhalte quotenmäßig von besonderer Bedeutung sind.

2. Sicher können auch Sie sich zu dem Leitsatz bekennen: "Wo ORF draufsteht, muss auch Österreich drinnen sein". Wenn man dies ernst nimmt, dann stellt sich die Frage, warum dann der Anteil an ORF-Eigenproduktionen am Gesamtprogramm immer weiter sinkt?

Entspricht es den kolportierten Tatsachen, dass Ihre Budgetpläne für 2008 einerseits sinkende österreichische Eigenproduktionen vorsehen, gleichzeitig aber noch mehr Mittel als bisher in ausländische Kaufprogramme und höhere Personalkosten fließen sollen?

3. Nicht nur die österreichische Filmwirtschaft, sondern alle GebührenzahlerInnen stellen sich die Frage, warum der Personalstand des ORF von ca. 2.600 unter Gerhard Zeiler auf nunmehr ca. 4.500 Fixangestellte anwachsen konnte. Es ist für alle Kundigen offensichtlich, dass der hohe Personalstand des ORF jede finanzielle Beweglichkeit verhindert und maßgeblichen Anteil an der Finanz- und Programmmisere des ORF trägt. In diesem Zusammenhang stellt sich die die Frage, ob Sie die Forderung ihrer vier Vorgänger Bacher, Zeiler, Weiss und Lindner unterstützen, die Wahl des Generaldirektors in Hinkunft ohne direkte Mitwirkung der ORF-Betriebsratsmitglieder geschehen zu lassen.

4. Die österreichische Filmwirtschaft ist aus nahe liegenden Gründen an einer intensiven und fairen Zusammenarbeit mit dem ORF interessiert. In Verfolgung dieses Interesses ist die österreichische Filmwirtschaft in den letzten beiden Wochen massiv an die Öffentlichkeit herangetreten. Wir fühlen uns durch den ORF nicht in dem Maße unterstützt, wie es die gemeinsame Interessenlage gebietet. Sind Sie mit der Kommunikationsleistung Ihres Hauses in den letzten Monaten zufrieden? Sollten nicht Sie persönlich ebenfalls vernehmbar an die Öffentlichkeit treten, um warnend auf die erkennbare Situation aufmerksam zu machen?

Wir verbleiben in Erwartung Ihrer geschätzten Rückantwort.

Mit freundlichen Grüßen

die Initiative Film TV

(Ende)
Aussender: Initiative Film TV
Ansprechpartner: Dr. Werner Müller
Tel.: +43 (0) 590 900 3010
E-Mail: mueller@fafo.at
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