pte20071219028 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

Iran: Polizei verschärft Vorgehen gegen Internetaktivisten

"Linie der Regierung in Sachen freier Meinungsäußerung radikalisiert sich weiter"


Die iranische Polizei reagiert auf öffentliche Kritik mit Gefängnisstrafen (Foto: pixelio.de)
Die iranische Polizei reagiert auf öffentliche Kritik mit Gefängnisstrafen (Foto: pixelio.de)

Teheran (pte028/19.12.2007/13:40) Die Polizei in Teheran geht verstärkt gegen Internetaktivisten vor. Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen (ROG) http://www.rsf.org sind in einer Aktion am Sonntag 24 Internet-Cafés geschlossen und 23 Internetnutzer, darunter elf Frauen, wegen "unmoralischen Verhaltens" verhaftet worden. Die Razzien sind offenbar Teil einer breiter angelegten Kampagne gegen Frauen, die bereits im April dieses Jahres gestartet worden ist. Demnach wurden iranische Frauen dazu aufgefordert, sich an die islamischen Bekleidungsvorschriften zu halten, nach denen das Tragen von "westlichen" Kleidungsstücken wie enger Hosen und hoher Stiefel als unangemessen betrachtet wird. "Die Linie der Regierung in Sachen freier Meinungsäußerung radikalisiert sich weiter - vor allem, wenn Frauen betroffen sind", ist man sich bei ROG einig. Die Gründe für die Verhaftungen seien extrem vage. Die Verhafteten müssten umgehend wieder freigelassen und die Internetcafes wieder eröffnet werden.

"Im Iran haben wir es mit einer sehr spezifischen Situation zu tun", erklärt Clothilde Le Coz, Leiterin des Internet Freedom Desks bei ROG, im Gespräch mit pressetext. Verschiedene Gruppen von Aktivisten seien zur Zeit verstärkt ins Visier der iranischen Polizei geraten, weil sie damit begonnen hatten, das Regime und dessen Machenschaften öffentlich zu hinterfragen. Vor allem das Internet sei in diesem Zusammenhang als Platz der freien Meinungsäußerungen von entscheidender Bedeutung. "Iranische Feministinnen haben etwa damit begonnen, eine eigene Zeitung im Internet zu veröffentlichen, die auch als Medium für offene Kritik fungieren soll", schildert Le Coz. Aufgrund der Tatsache, dass man von Seiten der iranischen Regierung keine Kritik duldet, seien Aktivisten oft dazu gezwungen ihre Internetadresse zu ändern, um einer möglichen Verfolgung zu entgehen.

Ein weiterer Beleg für die harte Linie der iranischen Regierung findet sich auch in dem Vorgehen gegenüber politischen Internetaktivisten. So werden etwa die seit November inhaftierten Internet-Dissidentinnen Maryam Hosseinkhah und Jelveh Javaheri weiterhin im berüchtigten Evin-Gefängnis festgehalten. Beide hatten sich online für Frauenrechte im Iran eingesetzt. Offizieller Grund der Anklage: Veröffentlichung falscher Informationen und "Werbung gegen die islamische Republik". Für ihre Freilassung verlangen die Behörden nach Angaben von ROG eine Kaution von 95.000 Euro für Hosseinkhah und 50.000 Euro für Javaheri. "Der Regierung ist sehr wohl klar, dass eine derart hohe Geldsumme nicht zu bezahlen sein wird", stellt Le Coz abschließend fest.

Der Iran ist eines der Länder mit der schärfsten Internetzensur weltweit. Seit etwa einem Jahr müssen sich alle Webseiten mit Informationen über den Iran beim Kulturministerium registrieren lassen. Dem Ministerrat zufolge gelten als Gründe für die Schließung einer Webseite beispielsweise die Beleidigung des Islam oder anderer monotheistischer Religionen, die Verbreitung separatistischer Ideologien, die Veröffentlichung falscher Informationen sowie von Nachrichten, die in das Privatleben einer Person eingreifen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Iran auf der von ROG selbst erstellten Weltrangliste zur Lage der Pressefreiheit (pressetext berichtete: http://www.pte.at/pte.mc?pte=071016038 ) Platz 166 von insgesamt 169 belegt.

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