pte20080223007 Umwelt/Energie, Forschung/Entwicklung

Forscher wollen Geheimnisse der Tiefsee-Korallenriffe lüften

Experten warnen vor Raubbau am Meeresgrund


Krebse auf Tiefseekorallenstock vor der Küste Irlands (Foto: AWI & Ifremer (2003))
Krebse auf Tiefseekorallenstock vor der Küste Irlands (Foto: AWI & Ifremer (2003))

Boston/Wien (pte007/23.02.2008/13:25) Wissenschaftler haben beim jährlichen Treffen der American Association for the Advancement of Science (AAAS) http://www.aaas.org in Boston bekannt gegeben, dass die Tiefseeriffe im Atlantik besser erforscht werden sollen. Die Riffe, die in bis zu 2.800 Metern Tiefe liegen, zählen zu den ältesten Lebewesen der Welt. Einige der Korallen sind bis 5.000 Jahre alt. Beim AAAS-Treffen ist die Trans Atlantic Coral Ecosystem Study TRACES http://www.lophelia.org/traces nun offiziell gelauncht worden.

Die Studie wird die erste dieser Art werden, die sich mit dem bisher ungeklärten Phänomen der Tiefsee-Lebewesen beschäftigt. Von den Untersuchungen erwarten sich die Forscher unter anderem Rückschlüsse auf das Klimageschehen und Hinweise auf die Evolution zahlreicher anderer Meereslebewesen. Untersuchungen haben gezeigt, dass viele dieser Tiefseekorallen bis zu 5.000 Jahre alt sind. Damit bieten sie ein detailliertes "Archiv" von Veränderungen und Klimaten. Die Forscher wollen auch herausfinden wie sich aus einigen Tiefseekorallen später jene Korallen entwickelt haben, die heute die typischen tropischen Riffe besiedeln. Von den heute insgesamt 5.000 verschiedenen bekannten Korallenspezies leben rund zwei Drittel in den tiefen kälteren Meeresregionen. Allein im Nordost-Atlantik gibt es 1.300 solche Kaltwasserkorallen.

Die Riffe der Tiefsee sind allerdings stark durch die kommerzielle Fischerei bedroht: Die riesigen Fanggeschirre, so genannte Grundschleppnetze und Baumkurren, vernichten nicht nur sensible Fischbestände, sondern sie zerstören auch den Boden: Tonnenschwere Eisenrollen und Scherbretter werden über den Meeresboden gezogen, dazwischen hängen Eisenketten, durch die am Boden lebende Fische aufgescheucht und ins Fangnetz getrieben werden. Jedes Scherbrett wiegt bis zu zehn Tonnen und vernichtet auf seinem Weg alles, was dort wächst und lebt. "Untersuchungen in den vergangenen Jahren haben deutlich gezeigt, dass diese Art des Fischfangs die letzten Bastionen der Tiefsee komplett vernichtet. Riffe, die 5.000 Jahre zum Wachsen gebraucht haben, werden innerhalb weniger Minuten vollständig ausgelöscht", meint Greenpeace-Meeresbiologin Antje Helms http://www.greenpeace.at im pressetext-Gespräch.

Zudem haben Kontrollen ergeben, dass gerade bei dieser zerstörerischen Methode die Menge des nicht verwertbaren Beifangs bis zu 50 Prozent beträgt. "Fischen mit Grundschleppnetzen ist so, als würde man mit einem Bulldozer in einen Teich fahren, um die Fische zu fangen", meint der Fischereiexperte Elliot Norse, Präsident des Marine Conservation Biology Institute http://www.mcbi.org in Bellevue/Washington. Die Methode sei tödlich effizient. Mit den Grundschleppnetzen werde der Ozeanboden in ein bis zwei Kilometern Tiefe quasi umgepflügt.

Die Forscher kritisieren diese Methode auch deshalb, weil die Reproduktionszyklen in der Tiefsee wesentlich länger dauern. "Die Tiefsee ist immer noch ein weitgehend unbekanntes Terrain für uns", meint Georg Kääb, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften, im pressetext-Interview. Auch der Wiener Meeresbiologe Jörg Ott vom Biozentrum der Universität Wien http://www.univie.ac.at/marine-biology stimmt dem zu: "Wenn man Lebewesen aus der Tiefsee hervorholt, ist eigentlich jeder Handgriff eine große Überraschung." Es gebe noch sehr große Gebiete im Bereich der Ozeanographie, die immer noch unbeschriebene Blätter sind. Die Tiefsee gehöre definitiv dazu. Erst vor kurzem brachte das Wissenschaftsmagazin National Geographic wieder Fotos von Tiefseelebewesen, die bisher unbekannt waren. Forscher der University of Aberdeen haben die Tiere im Zuge des norwegischen MAR-ECO Projekts und des Census of Marine Life Program sensationelle Bilder geliefert. Es war als besuche man ein neues Land, meinte der Expeditionsleiter Monty Priede.

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