pte20080417004 Umwelt/Energie, Unternehmen/Wirtschaft

Hungerkrise: EU-Agrarsubventionen unter Beschuss

Politische Ratlosigkeit dominiert internationale Debatte


Steigende Nahrungsmittelpreise verursachen Subventionsdebatte (Foto: pixelio.de, Christine Schmidt)
Steigende Nahrungsmittelpreise verursachen Subventionsdebatte (Foto: pixelio.de, Christine Schmidt)

Brüssel/Washington (pte004/17.04.2008/06:15) Die Hungeraufstände in Haiti haben die internationale Debatte über die Nahrungsmittelverteilung und ihre Preise angeheizt. Experten und Vertreter internationaler Organisationen fordern aufgrund der steigenden Rohstoffpreise nun den Abbau der EU-Agrarsubventionen. "Dabei handelt es sich um eine ziemlich globale Forderung", meint Manfred Schöpe, Experte für Agrarwirtschaft beim Institut für Wirtschaftsforschung ifo http://www.ifo.de , im Gespräch mit pressetext. Ein Ende des 90 Mio. Euro schweren Geldflusses für die Produktion von Biokraftstoffen ist im Plan der Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel bereits vorgesehen. Der Anbau von Energiepflanzen gehe zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion.

Während die Aufstände in Haiti bereits fünf Menschenleben und mehr als 200 Verletzte forderten, warnen Weltbank und IWF vor weiteren möglichen Hungerkrisen und Unruhen. Vonseiten der Industriestaaten fordert die Weltbank bis zum ersten Mai Hilfsgelder in Höhe von 500 Mio. Dollar, um die Lebensmittelknappheit im Rahmen des Welternährungsprogramms zu bekämpfen. "In der internationalen Debatte wird deutlich, dass die Ratlosigkeit von Politikern und politischen Organisationen dominiert. Es gibt viele andere Aspekte, die bei diesem langfristigen Prozess mitspielen und berücksichtigt werden müssen", so Schöpe.

Vor dem Hintergrund der Nahrungsmittelengpässe spricht der britische Premierminister Gordon Brown von "der ersten Globalisierungskrise" und fordert Lösungen, um das Steigen der Lebensmittelpreise zu stoppen. "Bei dem Problem handelt es sich in jedem Fall um ein Ergebnis der Globalisierung. Bei der Nahrungsmittelkrise befinden wir uns in einem Marktspiel, das von höheren Mengen und stärkeren Kräften beeinflusst ist. Der Trend geht in langsamen Schritten hin zu einer größeren Nachfrage und zu einer Angebotsentwicklung, die damit nicht mithalten konnte", erklärt Schöpe.

Rund 100 Mio. Menschen in unterentwickelten Staaten seien akut davon bedroht, ins Elend abzurutschen, äußerte sich Weltbank-Direktor Robert Zoellick im Rahmen der Frühjahrstagung der Weltbank in Washington. Deren Berechnungen zufolge hätten sich die Preise für Nahrungsmittel in den vergangenen drei Jahren um 83 Prozent verteuert. Die Kosten für Weizen seien sogar um satte 181 Prozent gestiegen. In einem Bericht des Weltlandwirtschaftsrates heißt es, die Anbaumethoden müssten weltweit geändert werden, um Arme besser versorgen und die Gefahren sozialer Unruhen und ökologischer Katastrophen abwenden zu können. Die Zeit zum Handeln sei knapp, da die industrielle Landwirtschaft in Form von Monokulturen mit intensivem Einsatz von Kapital und Pestiziden an ihre Grenzen gestoßen sei.

Internationale Organisationen kommen angesichts der hohen Weltmarktpreise zu der Ansicht, dass Agrarsubventionen vonseiten der EU nicht länger notwendig seien. Exportsubventionen seien für die Landwirtschaft der Entwicklungsländer besonders schädlich, weil die durch einheimische Stützung ausgelösten Überschüsse zu niedrigen Preisen auf die Weltmärkte entsorgt werden, heißt es in einem Bericht der Financial Times Deutschland. In der EU seien diese Zahlungen bereits zurückgegangen, würden von den USA aber weiterhin getätigt. "Staatliche Eingriffe plötzlich zurückzuschrauben ist kein Allheilmittel und funktioniert auch nicht von heute auf morgen", kritisiert Schöpe im pressetext-Gespräch.

Über einen vollständigen Abbau der Exportsubventionen bis 2013 wird derzeit in den Gesprächen zur Liberalisierung des Welthandels in Genf, der Doha-Runde, verhandelt. Der Ausgang der Verhandlungen ist aufgrund des Widerstands innerhalb der EU und besonders von Deutschland jedoch weiter ungewiss. Von den Kürzungen wären in erster Linie ostdeutsche Großbetriebe betroffen. Der Protektionismus der Industriestaaten geht Schätzungen der Weltbank zufolge mit jährlich rund 100 Mrd. Dollar zu Lasten der Entwicklungsländer.

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