pte20080419003 Technologie/Digitalisierung, Auto/Verkehr

Mobilfunknetz warnt vor Staus

System liefert Handydaten für Navigations- und Verkehrsleitsysteme


Reinhard Zuba, Bereichsleiter Marketing mobilkom austria (Foto: mobilkom)
Reinhard Zuba, Bereichsleiter Marketing mobilkom austria (Foto: mobilkom)

Wien (pte003/19.04.2008/06:15) Der österreichische Mobilfunkprovider A1 http://www.a1.net hat kürzlich in Linz ein Pilotprojekt abgeschlossen, bei dem Bewegungsdaten von Handys zur Beobachtung der Verkehrslage verwendet werden. Mithilfe der aufbereiteten Daten sollen Navigationsgeräte präzisere Informationen über die Situation auf den Straßen bekommen und so bei möglichen Staus oder Sperren rechtzeitig Ausweichrouten berechnen können. In Deutschland und der Schweiz kooperiert TomTom bereits mit Mobilfunkbetreibern und will den entsprechenden Service "HD Traffic" noch im laufenden Jahr umsetzen (pressetext berichtete: http://pte.at/pte.mc?pte=080325012 ). pressetext hat mit Reinhard Zuba, Bereichsleiter Marketing bei mobilkom austria, über die Art der Datensammlung von Mobilfunkkunden sowie die daraus entstehenden Möglichkeiten gesprochen.

pressetext: Wie funktioniert die Methode, mit Handys den Verkehr zu beobachten?
Zuba: Mit unserem System gewinnen wir anhand der Bewegungsprofile aller aktiven SIM-Karten im A1-Netz Informationen über das aktuelle Verkehrsbild. Diese Bewegungsprofile werden über Straßenkarten gelegt und aufgrund der Veränderung im Zeitverlauf können entsprechende Schlüsse gezogen werden. A1 stellt Rohdaten zur Verfügung, die dann von Serviceanbietern entsprechend verwendet werden können, etwa zur Interpretation der aktuellen Verkehrslage oder zu einer Verfeinerung der Routenplanung bei Navigationslösungen.

pressetext: Wie viele User benötigt man, um eine aussagekräftiges Bild von Österreichs Straßen zu bekommen?
Zuba: A1 ist Mobilfunk-Marktführer in Österreich. Daher liefern die Bewegungsprofile unserer gesamten Kundenbasis ein sehr aussagekräftiges Bild über die Straßensituation in Österreich. Das Besondere an dem System ist, dass die Informationen nicht punktuell gesammelt werden. Vielmehr sind es Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen, die man sich in etwa so vorstellen kann wie die von Bienen- oder Fischschwärmen. Es werden nur Informationen bezogen auf Ort und Zeit für die Berechnung herangezogen. Wenn sich etwa in einer Minute 100 Handys am Knoten Inzersdorf befinden und in der nächsten sind es 130, lässt das einen Rückschluss auf die Verkehrsentwicklung zu.

pressetext: Wie filtert man die Handys aus der Masse heraus, die sich in einem Auto befinden?
Zuba: Wenn sich aktive Handys entlang eines Straßenverlaufs in einer bestimmten Geschwindigkeit bewegen, ist davon auszugehen, dass es sich dabei um die Bewegung von Kraftfahrzeugen handelt. Wenn das System keine Bewegungen in einem bestimmten Teilstück beobachtet, fließt der Verkehr nicht und der Schluss liegt nahe, dass es in diesem Straßenabschnitt einen Stau oder eine Sperre gibt. Das System ist selbstlernend und kann anhand von Analogien und Mustern unterscheiden, ob es sich bei den Bewegungsprofilen entlang der Westbahnstrecke um einen Zug oder um Kraftfahrzeuge handelt.

pressetext: Wie lange arbeitet die mobilkom bereits an diesem Projekt?
Zuba: Wir verwenden solche Informationen schon länger, um den Ausbau unseres Netzes zu planen. Mit dem Pilotprojekt haben wir gezeigt, dass sie so aufbereitet werden können, dass auch andere Services mit ihnen arbeiten können. Für das Aufsetzen des Systems, die Kalibrierung und die Aufbereitung der Daten haben wir etwa vier Monate benötigt.

pressetext: Werden alle A1-Handys ständig positionsmäßig überwacht?
Zuba: Ich würde hier nicht von Überwachung sprechen, denn eine Überwachung ist aus rechtlicher Sicht gar nicht zulässig und mit diesem System technisch auch nicht möglich. Der Wert des Systems liegt darin, die ständigen Bewegungen aller Geräte im A1-Netz so aufbereiten zu können, dass Drittservices mit den Daten arbeiten können.

pressetext: Wie erklären Sie diese Datensammlungsmethode einem Datenschützer?
Zuba: Datenschutz beschäftigt sich primär mit dem Schutz von Individuen. Für dieses System ist nicht der einzelne Handy-Nutzer interessant, sondern das bewegte Bild, das die Gesamtheit der Nutzer produziert.

pressetext: Wie werden Sie diese Daten künftig nutzen? Wer soll sie nutzen?
Zuba: Wir haben gerade den Piloten erfolgreich abgeschlossen und sind im Gespräch mit einigen Interessenten, die den Wert dieser Lösung erkannt haben und Ihre eigenen Services damit verbessern wollen. Die gewonnen Daten können für präzisere Verkehrsleitung herangezogen werden. Das bietet einerseits einen hohen Individualnutzen für Endanwender, hat aber auch eine volkswirtschaftliche Perspektive, da mit verbesserter Verkehrsleitung auch Kraftstoffe gespart werden können und der CO2-Ausstoß reduziert werden kann.

pressetext: Gibt es Kooperationen mit Navigationsherstellern? TomTom beispielsweise kooperiert in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz bereits mit Mobilfunkern, um einen entsprechenden Dienst anzubieten.
Zuba: Wie gesagt sind wir in Gesprächen mit mehreren Unternehmen. Ich bitte um Verständnis, dass wir diese erst dann nennen können, wenn entsprechende Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen sind.

pressetext: Welche Möglichkeiten sehen Sie abseits von Verkehrsüberwachung in der Zukunft noch im Rahmen der Nutzung von Handydaten?
Zuba: Navigations- und Verkehrsleitsysteme sind sicherlich der naheliegendste Anwendungsfall. Darüber hinaus sind der Phantasie von Serviceanbietern keine Grenzen gesetzt. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass die Daten für eine Reisemanagementplattform einen deutlichen Mehrwert bringen. Mit verbesserter Reiseplanung und Verkehrssteuerung werden nicht nur die Nerven der Reisenden sondern auch die Umwelt geschont.

pressetext: Vielen Dank für das Gespräch.

(Ende)
Aussender: pressetext.austria
Ansprechpartner: Andreas List
Tel.: +43-1-81140-313
E-Mail: list@pressetext.com
|