pte20080521003 Kultur/Lifestyle, Forschung/Entwicklung

USA: Ein Sechstel der Biologielehrer sind Kreationisten

"Was genau über Kreationismus oder Evolution gelehrt wird, bleibt Grauzone"


Kreationisten interpretieren die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich (Foto: pixelio.de/geralt)
Kreationisten interpretieren die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich (Foto: pixelio.de/geralt)

University Park, Pennsylvania (pte003/21.05.2008/06:10) Ungeachtet zahlreicher Gerichtsbeschlüsse, dass kreationistische Lehrinhalte in US-Schulen nicht stattfinden sollten, lehrt einer von acht US-amerikanischen Lehrern die Theorie als valide Wissenschaft. Das ergab eine Studie von Politwissenschaftlern der Pennsylvania State University http://www.psu.edu . Zudem widmen Lehrer wissenschaftlichen Ansätzen und vor allem der Evolutionsbiologie dann weniger Unterrichtszeit, wenn sie selbst unerfahrener in der Materie sind. Zwei Prozent der Befragten Lehrer im naturwissenschaftlichen Bereich hatten überdies angegeben, dass sie die Evolution überhaupt nicht behandeln würden.

Zwar haben US-Gerichte wiederholt bestätigt, dass es sich bei den Theorien des Kreationismus sowie des Intelligent Designs um Religion und nicht um Wissenschaft handele. Aus diesem Grund hätten sie keinen Platz auf den Lehrplänen. Dennoch bleibe es schlussendlich den Lehrern selbst überlassen, welche Lehrinhalte sie höher einstufen und welche nicht, sagt Studienleiter Michael Berkman. Was genau Lehrer über Kreationismus oder Evolution lehren "ist eine Grauzone". Das veranlasste Berkman und seine Kollegen eine landesweite Umfrage zu starten. Rund 2.000 Biologielehrer an Highschools in allen Landesteilen schrieben die Wissenschaftler im vergangenen Jahr an. Aus den 939 Antworten erschloss sich ein überraschendes Bild.

Während gut zwei Prozent der Lehrer die Evolutionstheorie im Unterricht komplett ausließen, gab ein Viertel der Befragten an, zumindest einige Unterrichtszeit bei dem Thema Kreationismus zu verweilen. Fast die Hälfte dieser Lehrer - und damit 12,5 Prozent aller Befragten - würden die Theorien auch als "berechtige, wissenschaftliche Alternative zur Darwinschen Evolutionstheorie" unterrichten. Befragt nach der persönlichen Glaubenseinstellung notierten 16 Prozent, dass sie selbst eher den kreationistischen Ansichten zuneigen, dass der Mensch von Gott innerhalb der vergangenen 10.000 Jahren erschaffen wurde. Der Studie zufolge haben Lehrer, die selbst dem kreationistischen Glauben angehören, rund ein Drittel weniger Unterrichtszeit darauf verwendet, den Schülern die Evolutionstheorie zu erklären.

Inwiefern sich der persönliche Glaube auf den Unterricht auswirkt, vermag Jochen Schneider vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte http://www.mpiwg-berlin.mpg.de nicht zu spekulieren, denn "in den Köpfen stecken wir ja nicht drin". Bei diesen Vorstellungen handele es sich aber um klare Konkurrenzauffassungen. "Mit moderner Biologie bekommt man den Kreationismus nicht zusammen", meint Schneider im Gespräch mit pressetext. "In den USA führt aber möglicherweise der Pluralismusgedanke dazu, dass auch solche Theorien integriert werden." Im Schulunterricht könne es so möglicherweise dazu kommen, dass die verschiedenen Meinungen nebeneinandergestellt werden.

"Die Kreationisten bieten gegenüber der Evolutionstheorie eigentlich keine Alternative", meint auch Ernst Peter Fischer, Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Konstanz http://www.uni-konstanz.de . "Aber gleichzeitig ist die Evolutionsbiologie auch keine Behauptung, dass man alles verstanden hat." Vielmehr sei sie ein Angebot, "die Vielfalt des Lebens zu erklären". Für Fischer gehören Wissenschaft und Religion in bestimmter Art und Weise zusammen, da sie verschiedene Ansätze darstellen würden, die Welt zu erklären. "Aber wenn man konsequent den einen Ansatz ablehnt, macht man einen Fehler", so Fischer.

Ein weiterer Aspekt, den Berkman in seiner Befragung ausmachte, war die Ausbildung der Lehrer selbst. Denn diejenigen Lehrkräfte, die während ihrer eigenen Ausbildung mehr naturwissenschaftliche Kurse wahrgenommen hatten, widmeten diesem Thema mehr Zeit. Einen Grund dafür sieht Berkman darin, dass besser ausgebildete Lehrer sicherer auf die Fragen ihrer Schüler bezüglich heikler Themen antworten könnten. Schulungen zu evolutionsbiologischen Inhalten für alle Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer hält Berkman aus diesem Grund für durchaus angebracht.

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