pte20080523013 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

"Netz gegen Nazis" arbeitet kontraproduktiv

Anti-Nazi-Projekt betreibt Diskussion zu oberflächlich


Netz gegen Nazis wird Oberflächlichkeit vorgeworfen (Foto: netz-gegen-nazis.de)
Netz gegen Nazis wird Oberflächlichkeit vorgeworfen (Foto: netz-gegen-nazis.de)

Hamburg (pte013/23.05.2008/13:51) Das "Netz gegen Nazis" http://www.netz-gegen-nazis.com sieht sich seit seinem Start Anfang Mai massiver Kritik durch Medien und andere Aktivisten ausgesetzt. So wird dem Portal, das nach Anstoß durch die Holtzbrinck-Verlagsgruppe von der Wochenzeitung Die Zeit in Kooperation mit einigen Sportverbänden und dem ZDF initiiert wurde (pressetext berichtete: http://pte.at/pte.mc?pte=080506034 ), vorgeworfen, sich zu oberflächlich und mitunter sogar kontraproduktiv zu präsentieren. Die Diskussion bleibe an der Oberfläche und das Netz biete wenig Neues im Kampf gegen Rechtsextremisten, schreibt etwa die Welt. Nicht zuletzt aufgrund der Kooperation namhafter Unternehmen wird das Problem dennoch breit thematisiert. So wurde auf den drei VZ-Plattformen studiVZ http://www.studivz.net , schülerVZ und meinVZ jeweils eine Netz-Gegen-Nazis-Gruppe gestartet. "Diese Gruppen werden Informationen zum Thema bereithalten und die Möglichkeit zum direkten Austausch mit anderen Nutzern bieten", heißt es von studiVZ gegenüber pressetext.

Neben der Sammlung von Texten und redaktionellen Beiträgen zum Thema ist die Seite als Ratgeber konzipiert und weist ihre Benutzer in einer eigenen Rubrik "Woran erkennt man Nazis" auf Kleidungsgepflogenheiten von Rechten hin. Dies sei jedoch zu wenig und würde darüber hinaus verallgemeinern, lautet der kritische Tenor. Signale wie Kleidungscodes seien zumeist nicht eindeutig genug, um sie einer Randgruppe zuzuordnen. Verschiedene für Nazis bekannte Marken oder Kleidungsstücke werden auch von anderen sozialen Gruppen getragen, ohne mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden zu können. Ebenso wie von Nazis werden Artikel aus dem Hause Fred Perry beispielsweise gerne von der Homosexuellen-Szene oder von Britrock-Fans getragen. Abgesehen davon sei es blauäugig und durchaus gefährlich, die Nazi-Szene nach starren und vordefinierten Merkmalen einzuordnen.

Burkhard Schröder, Autor und anerkannter Experte zum Thema Rechtsradikalismus im Internet, sieht im Netz gegen Nazis auch eine politische Gefahr geborgen. "Das alles wirkt wie Moraltheologie. Die Haltung der Seite erinnert an den regierungsamtlichen Kampf gegen rechts seit 2000, der auch nur dazu geführt hat, dass die NPD in mehreren Landtagen sitzt", warnt Schröder. Die Oberflächlichkeit, die auf der Plattform vorherrsche, trage entgegen dem gewollten Zweck zum Gegenteil bei und fördere Macht und Einflussbereich von Neonazis. Problematisch sei hauptsächlich, dass tiefgreifende und konkrete Themen wie Antisemitismus oder Asylgesetzgebung entweder gar nicht oder nur flüchtig behandelt werden. Trotz der guten Absicht präsentiere sich die Seite lediglich als "Outing", nicht dem rechten Lager anzugehören, ohne aber konkret etwas dagegen zu tun. In dieses Schema gliedern sich schließlich auch die Beiträge der Besucher im Diskussionsforum ein, woraus zu schließen sei, dass die öffentliche Debatte über Rechtsextremismus auf der Stelle trete.

(Ende)
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