pte20090121013 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

Deutsche Bahn ließ 1.000 Mitarbeiter bespitzeln

Auch Ehepartner ausgeforscht - Datenschützer schlagen Alarm


Deutsche Bahn gerät wegen Überwachungen unter Druck (Foto: pixelio.de, wrw)
Deutsche Bahn gerät wegen Überwachungen unter Druck (Foto: pixelio.de, wrw)

Berlin/Düsseldorf/Köln (pte013/21.01.2009/11:22) Nach den Bespitzelungsaffären bei der Deutschen Telekom und Lidl (pressetext berichtete: http://pressetext.at/pte.mc?pte=080326021) gerät nun die Deutsche Bahn massiv unter Druck. Wie stern.de heute, Mittwoch, unter Berufung auf interne Auftragsunterlagen des Konzerns berichtet, sollen mehr als 1.000 Mitarbeiter, darunter auch viele Top-Manager, systematisch ausspioniert worden sein. Dabei gerieten selbst die Ehepartner der Bahn-Mitarbeiter ins Visier der Detektive. Wie auch im Fall der Deutschen Telekom übernahm die Network Deutschland GmbH im Auftrag der Bahn die Beschattungen. Die Konzernrevision der Bahn beauftragte Network zuletzt 2007, wobei die Ausspähaktionen im Namen der Korruptionsbekämpfung unter den Codenamen "Eichhörnchen" und "Babylon" liefen. Datenschützer sehen "erhebliche Verstöße" und sprechen von möglichen Straftatbeständen.

"Obwohl die Deutsche Bahn argumentiert, dass es sich bei den Überwachungen im eigenen Unternehmen nicht um generalstabsmäßige Bespitzelungen wie im Fall der Telekom handelt, ist das für mich wenig glaubhaft. Fakt ist, dass die Mitarbeiter unter Generalverdacht gestellt und die Persönlichkeitsrechte verletzt wurden", so Martin W. Huff, Jurist und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln http://www.rak-koeln.de , auf Nachfrage von pressetext. Laut dem Rechtsexperten sei die Bespitzelung von Mitarbeitern ausschließlich bei Verdachtsfällen zulässig. In einer ersten Reaktion räumte die Bahn ein, dass es entsprechende Ermittlungsfälle sowie Probleme beim Datenschutz gegeben habe. Die verdeckte Aktion "Eichhörnchen" soll bereits 2003 gestartet worden sein. Das Ziel dieses Auftrags bestand darin herauszufinden, ob das Top-Management oder Ehepartner außerhalb der Bahn wirtschaftlich engagiert seien.

"Da scheinbar kein konkreter Verdacht bestanden hat und die Ermittlungen allem Anschein nach pauschal angelegt waren, sehe ich in Bezug auf die Bespitzelungen der Ehepartner grobe Verletzungen der Fürsorgepflicht der Bahn als Arbeitgeber", sagt Huff gegenüber pressetext. Datenschutzrechtsverletzungen sieht der Anwalt auch darin, dass die Revision der Bahn eine CD-ROM mit persönlichen Daten von 774 Führungskräften an Network weitergereicht haben soll. Zudem beschaffte das Unternehmen die Namen von 500 Ehepartnern und gab sie weiter. Auf erste Rechercheergebnisse hatte der Logistikriese gestern, Dienstag, reagiert. In einer Erklärung der Bahn heißt es, dass man den Hinweis auf mögliche Verstöße ernst nehme. Eine abschließende Bewertung des Verfahrens stehe aber noch aus. Bislang bestünden aber keine Anhaltspunkte für die Beteiligung von Bahn-Mitarbeitern an Straftaten. Ein Telekom-Vergleich sei "falsch".

Bereits 2002 startete das Projekt "Babylon", wobei auch hier eine Rasterfahndung betrieben wurde, statt gezielt nach möglichen Tätern zu suchen. Der Auftrag für Network bestand darin, mögliche Verbindungen zwischen Bahn-Mitarbeitern und Lieferanten zu ermitteln. Im Zuge der Nachforschungen gerieten 125 Personen unter verschärfte Beobachtung. Nach dem Adressabgleich sei die Auftragsbeschreibung der Detektei "dahingehend erweitert" worden, "auch die Bank und Telefonverbindungen in die Untersuchung einzubinden". "Da die Bahn so vorgegangen ist, sollte sie sich schon jetzt darauf einstellen, dass einzelne Betroffene oder Manager mit zivilrechtlichen Schadenersatzklagen gegen die Bespitzelungen vorgehen", sagt Huff gegenüber pressetext. Datenschutzbeauftragte dagegen sehen erhebliche Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und prüfen, ob in einzelnen Fällen Straftatbestände vorliegen.

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