pte20100224002 Politik/Recht, Kultur/Lifestyle

"Die soziale Krise steht erst vor der Tür"

Armutskonferenz: Kampf gegen Krise darf Ungleichheit nicht verstärken


Die Folgen der Krise merken die Menschen erst später (Foto: pixelio.de/Häbich)
Die Folgen der Krise merken die Menschen erst später (Foto: pixelio.de/Häbich)

Salzburg (pte002/24.02.2010/06:05) Wenn auch seitens der Finanzwelt immer wieder das Ende der Wirtschaftskrise ausgerufen wird, hat die soziale Krise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Davor warnt der Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk am Rande des Jahrestreffens der Armutskonferenz http://www.armutskonferenz.at , einem Zusammenschluss österreichischer Sozialorganisationen, im pressetext-Interview. Besondere Bedeutung hat das Thema, da die Europäische Union das Jahr 2010 zum "Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung" erklärt hat.

Die Finanzkrise hat das Gesicht der Armut bereits verändert. Eine Armutsstatistik für 2009 gibt es zwar noch nicht, Indikatoren sprechen jedoch klare Sprache. "Die Zahlen der arbeitslosen Jugendlichen oder der Empfänger von Sozialhilfe ist sprunghaft gestiegen, letztere in Österreich etwa um neun Prozent. Das war zu erwarten, denn viele Jobs wurden unwiederbringlich vernichtet", so Schenk. Die Spitze sei jedoch noch nicht erreicht. "Die sozialen Folgen einer Krise wie auch eines Konjunkturaufschwungs kommen immer erst mit einer Verspätung von ein bis zwei Jahren. Man müsste daher das Ende der Krise nicht mit dem Steigen der Aktienkurse, sondern mit dem Sinken der Armut ansetzen."

Frage der Verteilung bestimmt die Zukunft

Gut überlegen sollte die Politik, auf welche Weise sie nun gegensteuere. "Klar ist, dass die Volkswirtschaften jetzt Spar- statt Konjunkturpakete schnüren, denn die Finanzlöcher müssen konsolidiert werden. Es stellt sich jedoch die Frage, wer die Lasten dafür trägt - ob man also bei den Ausgaben spart, was vor allem die Sozialleistungen in Gefahr bringt, oder ob man den Finanz- und Banksektor für die Krise zur Verantwortung zieht", so Schenk. Zu begrüßen seien auf jeden Fall Investition in Zukunftssektoren, zu denen Schenk Kinder, Schule und Bildung sowie die Pflege am Lebensende zählt. "Hier können zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen werden", so der Armutskonferenz-Sprecher.

Was die Verteilung des Reichtums betrifft, stünden die deutschsprachigen Länder zumindest in Sachen Kinderarmut vergleichsweise gut da. "Allerdings teilen sie auch zentrale Probleme, was die sozialen Aufstiegschancen, die Migrationsfrage, den Umgang mit psychisch Kranken oder die Existenzsicherung von Frauen betrifft." Gerade diese Gruppen sind die am meisten von Armut gefährdeten. Wichtige Begleiterscheinung der materiellen Armut seien das Ausbleiben von Anerkennung und Respekt, was Beschämung und Schwächung nach sich ziehe, weiters auch das Fehlen verlässlicher Freundschaften und Beziehungen sowie ein Ohnmachtgefühl, was die Psychologie als "fehlende Selbstwirksamkeit" bezeichnet.

Geld macht zufrieden

Je höher Einkommen und sozialer Status sind, desto zufriedener sind auch die Menschen. Zumindest stimmt das bei von Armut Betroffenen, denn ab einer bestimmten Einkommensgrenze steigt die Zufriedenheit nicht mehr. "Nur Lebenserwartung und Gesundheit steigen tatsächlich linear zum Haushaltseinkommen beziehungsweise verschlechtern sich, je weniger zur Verfügung steht. Arme Menschen sterben früher", so Schenk. Darauf spielt auch der Titel der Armutskonferenz-Tagung "Geld.Macht.Glücklich." auf provokante Weise an.

Allerdings dürfe der Kampf gegen Armut nicht bei der materiellen Existenzsicherung alleine ansetzen, da dies einer reinen Symptombehandlung gleiche. "Es geht weiteres um soziale Dienstleistungen wie Schulden- und Sozialberatung, Pflegehilfen bis hin zu Frauenhäusern und Notschlafstellen. Frühförderung, Schule und Bildung sind wichtige Faktoren, sowie Qualifizierung am Arbeitsmarkt, wozu Umschulung und Neuorientierung gehören", so der Sozialexperte. Ein weiterer Punkt sei auch die Sicherstellung und Förderung guter sozialer Netze wie etwa Nachbarschaftshilfe.

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