pte20100426026 Medien/Kommunikation, Unternehmen/Wirtschaft

Verlage tüfteln an Finanzierung von Journalismus

European Newspaper Congress diskutiert mögliche Überlebensstrategien


Zeitungsverleger experimentieren mit Überlebensstrategien (Foto: pixelio.de/tommyS)
Zeitungsverleger experimentieren mit Überlebensstrategien (Foto: pixelio.de/tommyS)

Wien (pte026/26.04.2010/13:50) Der Zeitungsbranche fehlt nach wie vor ein Patentrezept im Umgang mit dem digitalen Zeitalter. Das zeigt sich auch im Rahmen des European Publishers Forums zum Auftakt des diesjährigen European Newspaper Congress (ENC) http://enc.newsroom.de in Wien. Auf die Frage "Wie bleibt Journalismus finanzierbar?" antworten die einzelnen Verleger zwar inzwischen mit Lösungsvorschlägen, die sich auch schon in der Umsetzung befinden. Ob diese jedoch den Fortbestand der Medienhäuser tatsächlich sichern, darauf wagen die Branchenvertreter auf dem ENC jedoch keine Antwort zu geben.

Auch einen einheitlichen Zugang als Reaktion auf das große Thema Internet gibt es nicht. Die unterschiedlichen Verlage befinden sich in einer Art Experimentierphase und gehen dabei jeweils ihre eigenen Wege.

Gratiskultur versus Paid Content

Die Zeitunsgwelt teilt sich - grob gesehen - aktuell in zwei Lager: Jene, die gegen die etablierte Gratiskultur im Netz ankämpfen wollen und Paid Content einführen sowie jene, die ihre Webseiten auch in Zukunft kostenlos gestalten wollen. "Paid Content funktioniert", zeigt sich Romanus Otte, General Manager bei Welt Online, überzeugt. Die Bezahlangebote, die der Springer Verlag in der jüngeren Vergangenheit eingeführt hat, hätten sich bislang bewährt. Otte will jedoch keine allzu genauen Angaben darüber machen, wie viele Bezahlabos oder kostenpflichtige Applikationen inzwischen tatsächlich verkauft wurden.

Kritik übt Otte an der "autoaggressiven Haltung" in der Branche, mit der der eigene Untergang herbeigeredet würde. "Es ist falsch davon auszugehen, dass durch das Web Leser verloren werden. Unsere These lautet, dass wir im Internet Leser gewinnen." Welt Online zähle derzeit 3,74 Mio. Leser monatlich - mehr als alle Zeitungen der Welt Gruppe zusammen. "Reichweite ist nicht die Herausforderung, sondern die Monetarisierung davon", so Otte weiter.

Auch die aus Umfrage hervorgehende niedrige Zahlungsbereitschaft der Nutzer will Otte nicht gelten lassen. "Man kann die Sache auch von der anderen Seite her betrachten und dann zeigt sich, dass jedenfalls zwischen sieben und 13 Mio. Deutsche zahlungsbereite Kunden sind." Die Erfolgsfaktoren für Paid Content sieht er in drei wesentlichen Punkten: einfache Bezahlsysteme, wertige Inhalte und Dienste sowie starke Marken. "Das Problem ist, dass es bisher noch kein gutes Micropaymentsystem in Deutschland gibt."

Rettungsanker Zentralredaktion

Das Medienhaus Gruner + Jahr hat aus dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck heraus mit einer Zentralredaktion für seine vier Wirtschaftstitel reagiert. "Die Umsetzung dieses Schrittes war eine große Herausforderung, insbesondere da Standorte geschlossen und viele Mitarbeiter gekündigt wurden", sagt Stefan Weigel, stellvertretender Chefredakteur der Financial Times Deutschland (FTD).

Die Zusammenlegung der Redaktionen habe sowohl Vorteile als auch Nachteile. "Natürlich bedeutet das einen immensen Aufwand und kostet Geld, nicht zu reden von der hohen Belastung durch die Kündigungen." Zudem sei die Organisation einer Zentralredaktion sehr viel komplexer.

"Doch am Ende überwiegen die Vorteile - Kosteneinsparung, Kooperation, Themenvielfalt, eine bessere Personalstruktur sowie Vorteile im Marketing", betont Weigel. Funktioniert habe die Umsetzung vor allem deshalb, weil die Redaktion das Konzept selbst erarbeitet habe.

Noch nicht rentabel

Die Verlage haben zwar inzwischen auf das Internet reagiert, doch gewinnbringend sind ihre Strategien noch nicht. Selbst erfolgreiche Webangebote können Verluste aus dem Printgeschäft bis dato nicht aufwiegen. Auch das Modell Zentralredaktion hat bislang zwar Kosten eingespart, aber nach wie vor nicht das Überleben der Zeitungen gesichert. "Noch sind wir defizitär", wie Weigel auf Nachfrage zugibt. Bis spätestens 2012 will Gruner + Jahr mit seiner Strategie jedoch in der Gewinnzone landen.

"Die Webseiten der Verlage sind in der Regel erfolgreich, es dauert eben, bis sie auch Geld verdienen", zeigt sich Medienjournalist Florian Treiß (turi2.de) überzeugt. Zunächst werde wie bei Start-ups oder Social-Media-Plattformen Reichweite geschaffen. "Erst kommt die Reichweite, dann kommt das Geschäftsmodell, das sehen wir auch bei Twitter, Facebook und Co."

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